Humboldt-Universität zu Berlin - Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM)

Arbeitsmarktintegration

Beitrag zum BIM-Paper vom 25.3.2 über die Folgen des Kriegs in der Ukraine für Migration und Integration / Langversion



Von Prof. Dr. Herbert Brücker und Prof. Dr. Zerrin Salikutluk




Bei der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine geht es zunächst um eine humanitäre Aufgabe.  Gegenwärtig ist noch völlig offen, ob und zu welchen Anteilen die Geflüchteten aus der Ukraine schnell zurückkehren können und wollen oder ob sie sich länger in Deutschland aufhalten werden.

Kurzfristig werden viele andere Fragen wie die Sicherheit von Familienangehörigen, Unterbringung, die Versorgung und Betreuung von Kindern, die Bewältigung des Erlebten und viele andere Dinge im Vordergrund stehen.

Die Ungewissheit über die weitere Entwicklung in der Ukraine und damit auch über die Bleibeperspektiven in Deutschland unterscheidet die gegenwärtigen Ausgangsbedingungen für die Arbeitsmarktintegration von den Ausgangsbedingungen in den Jahren 2015 und 2016: Damals sah die überwältigende Mehrheit der Geflüchteten keine Rückkehrperspektive mehr nach Syrien oder in andere von Krieg und politischem Terror betroffenen Länder, so dass mehr als 90 Prozent dauerhaft in Deutschland leben wollten und fast 90 Prozent hier auch ein Beschäftigungsverhältnis anstrebten (Brücker et al. 2016).

In welchem Umfang das jetzt der Fall ist, ist eine offene Frage. Vor diesem Hintergrund geht es aktuell nicht um eine kurzfristige Integration der meisten Geflüchteten aus der Ukraine in den Arbeitsmarkt, sondern darum, für diejenigen, die das wünschen, die entsprechenden Angebote und Infrastruktur zu entwickeln und sich darauf zu vorbereiten, dass später die Arbeitsmarktintegration von größeren Gruppen begleitet werden muss.


Demographie und Bildung der Geflüchteten


Es liegen zwar noch keine belastbaren Daten zur demografischen Struktur der Geflüchteten aus der Ukraine vor, aber es dürfte sich überwiegend um Frauen, minderjährige Kinder und ältere Personen handeln. Anders als 2015 ermöglichen die offenen Grenzen auf Seiten der EU auch die Flucht von vulnerablen Gruppen in die EU.

Durch die Generalmobilmachung in der Ukraine unterliegen alle Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren einem Ausreiseverbot. Der Anteil minderjähriger Kinder soll knapp fünfzig Prozent betragen, während die erwachsene Bevölkerung sich überwiegend aus Frauen zusammensetzt. Offen ist, wie sich die demografische Struktur künftig entwickeln wird – das hängt davon ab, ob es künftig auch in größerem Umfang zur Flucht von Männern kommen wird.

Die Erfahrungen in der Vergangenheit haben gezeigt, dass Geflüchtete im Durchschnitt über ein höheres Bildungsniveau als die Bevölkerungen der Herkunftsländer verfügen (Aksoy/Poutvaara 2021; Guichard 2021). Das dürfte auch diesmal wieder bei den Geflüchteten aus der Ukraine der Fall sein, da das Bildungsniveau in der Ukraine vergleichsweise hoch ist.

Dies zeigt sich beispielsweise, wenn man die Bruttoeinschulungsquote in der tertiären Bildung und Ausbildung, also den Anteil der Studierenden, die Universitäten, Hochschulen und vergleichbare weiterführende Bildungseinrichtungen besuchen, betrachtet. Diese beläuft sich nach den Angaben der Weltbank an den jeweiligen Alterskohorten in der Ukraine auf 83 Prozent im Vergleich zu 74 Prozent in Deutschland (World Bank 2022).

Zugleich besteht ein erhebliches Gender-Gefälle zugunsten der Frauen: Ihre Bruttoeinschulungsquote ist in der tertiären Bildung 12 Prozentpunkte höher als die der Männer (ebd., vgl. auch Brücker 2022). Im internationalen Vergleich muss allerdings berücksichtigt werden, dass in der Ukraine viele berufliche Qualifikationen, die in Deutschland durch das duale Ausbildungssystem erworben werden, in Hochschulen und ähnlichen Bildungseinrichtungen erworben werden.

Bereits in der Vergangenheit war die Bevölkerung aus der Ukraine, die in Deutschland lebt, überdurchschnittlich gut qualifiziert: So besaßen unter der erwachsenen Bevölkerung aus der Ukraine 50 Prozent tertiäre Bildungsabschlüsse, also Universitäts-, Hochschul- und vergleichbare Abschlüsse (vgl. auch Brücker et al. 2022).

Allerdings konnte dieses hohe Bildungsniveau nur teilweise in den deutschen Arbeitsmarkt transferiert werden: So übten 2019 30 Prozent der erwerbstätigen Ukrainer:innen eine komplexe Experten- oder Spezialistentätigkeit aus, 40 Prozent eine Fachkrafttätigkeit und 31 Prozent eine Helfer- oder Anlerntätigkeit (Brücker 2022). Dies spricht dafür, dass viele unterhalb des erworbenen Qualifikationsniveaus beschäftigt werden.

Insgesamt ist also zu erwarten, dass die Geflüchteten aus der Ukraine über ein vergleichsweise hohes Bildungs- und Ausbildungsniveau verfügen, überwiegend weiblich sind und durch den hohen Kinderanteil zugleich auch Betreuungsaufgaben wahrnehmen müssen. Vor diesem Hintergrund dürfte die Frage der Integration von Frauen mit Kindern und Kleinkindern auch eine Schlüsselfrage für die Integration in den Arbeitsmarkt werden.


Förderung der Arbeitsmarktintegration [1]


Die nationale und internationale Evidenz spricht dafür, dass die Integration von Geflüchteten längere Zeiträume als die von anderen Migrant:innen in Anspruch nimmt, aber im Zeitverlauf zu der von anderen Migrant:innen konvergiert (Brücker et al. 2020; Brücker 2020; Cortes 2004; Fasani et al. 2020).


Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Geflüchtete durch Krieg, Verfolgung und Vertreibung in der Regel nicht auf die Migration vorbereitet sind und im Gegensatz zu anderen Migrant:innen in der Regel über keine Sprachkenntnisse des Ziellandes, keine Stellenzusagen, Studien- und Ausbildungsplätze verfügen, kleinere persönliche Netzwerke, die die Migration unterstützen können, und unvollkommen über die Arbeits- und Wohnungsmärkte, Bildungssysteme und andere relevante Institutionen informiert sind. Diese Faktoren tragen zu einem verlängerten Integrationsprozesse von Geflüchteten bei.


Längere Aufenthaltsperspektiven schaffen


Eine wichtige Rolle können auch institutionelle Restriktionen spielen, etwa die Länge und Ausgang der Asylverfahren, die gleichermaßen für die Betroffenen und die Unternehmen Ungewissheit über die Bleibeperspektiven schaffen und damit die Arbeitsmarktintegration behindern (Brenzel/Kosyakova 2021; Kosyakova/Brenzel 2021; Hainmüller/Hangartner 2020); gleiches gilt für Beschäftigungsverbote (Fasani et al. 2020).

Diese Integrationsbremsen fallen bei Geflüchteten aus der Ukraine durch die pauschale Erteilung eines vorübergehenden Aufenthaltsrechtes, das auch die Erlaubnis zur Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses enthält, in Deutschland weg.

Allerdings wird dieses Aufenthaltsrecht zunächst nur für ein Jahr erteilt, es kann je nach Beschlusslage der EU auf bis zu drei Jahre verlängert werden. Aus Integrationsperspektive ist ein Aufenthaltsrecht von einem Jahr zu kurz; es erhöht die Ungewissheit über die Bleibeperspektive und senkt damit die Anreize für die Betroffenen in länderspezifische Kenntnisse und Fähigkeiten, wie z.B. Sprachkenntnisse oder weitere Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse zu investieren.

Umgekehrt senkt es die Einstellungsanreize der Unternehmen, da Beschäftigungsverhältnisse in der Regel mit Investitionen verbunden sind, die sich nur bei einer längeren Beschäftigungsperspektive amortisieren.

Wir empfehlen vor diesem Hintergrund, sobald sich abzeichnet dass ein größerer Teil der Geflüchteten aus der Ukraine nicht zurückkehren kann oder will, die Umwandlung der vorübergehenden Aufenthaltserlaubnis analog zu den anerkannten Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention in eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis und die Eröffnung von Perspektiven für die Erlangung einer Niederlassungserlaubnis, d.h. eines unbefristeten Aufenthaltsrechts.


Integrationskriterien bei der räumlichen Verteilung berücksichtigen


Die räumliche Verteilung beeinflusst erheblich die mittel- und langfristigen Chancen zur Arbeitsmarktintegration. 2015 und 2016 wurden die Geflüchteten nach dem Königsteiner Schlüssel[2] auf die Länder verteilt, und von den Ländern entweder nach Bevölkerung oder Wohnraumverfügbarkeit auf die Landkreise und kreisfreien Städte.

Im Ergebnis wurden die Geflüchteten überdurchschnittlich in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit untergebracht (Brücker et al. 2020c; Aksoy/Poutvaara 2021). Bei einer Unterbringung in anderen Regionen hätte die Erwerbstätigenquoten der Geflüchteten erheblich gesteigert werden können, möglich wäre eine Steigerung im zweistelligen Prozentbereich.

Dies bestätigen auch internationale Studien: So zeigen Bansak et al. (2018) für die Schweiz und die USA, dass bei einem effizienten Match zwischen den Eigenschaften der Geflüchteten und den Regionen auf die sie verteilt werden, die Beschäftigungsquoten um 40 bis 70 Prozent gesteigert werden können. Brücker et al. (2020c) wiederum zeigen, dass die Beschäftigungsquoten von Geflüchteten, die nicht der Wohnsitzauflage unterliegen, rund 10 Prozentpunkte höher ist als bei der Gruppe, für die die Wohnsitzauflage gilt.

Vor dem Hintergrund der starken Konzentration der Geflüchteten auf Berlin und einige andere Großstädte, hat sich die Bundesregierung entschlossen, wieder den Königsteiner Schlüssel für die Verteilung der Geflüchteten aus der Ukraine anzuwenden.

Damit könnten die Fehler von 2015 und 2016 wiederholt werden. Auch ist die Anwendung des Königsteiner Schlüssels mit einer Reihe von praktischen Problemen verbunden, weil erst ein kleiner Teil der Geflüchteten registriert ist und folglich die räumliche Verteilung über das Bundesgebiet einer erheblichen Ungewissheit unterliegt. Zudem sinken damit die Anreize der Geflüchteten sich registrieren zu lassen, wenn sie befürchten müssen, in andere Städte verteilt zu werden.

Vor diesem Hintergrund empfehlen wir, andere Verfahren der Verteilung zu wählen. Erstens sollte auf eine Umverteilung von Personen, die privat untergebracht ist, ganz verzichtet werden. Das ist gegenwärtig schon Praxis in den meisten Bundesländern und sollte beibehalten werden. Die Notwendigkeit einer Umverteilung ergibt sich aus den beschränkten Kapazitäten für die Unterbringung und sollte deshalb auf Gruppen beschränkt werden, die diese in Anspruch nehmen müssen.

Zweitens sollte die Umverteilung, wenn möglich, nur auf neuankommende Geflüchtete beschränkt werden.

Drittens sollten systematisch die Präferenzen der Geflüchteten berücksichtigt werden, etwa Familienbeziehungen, Kontakte zu Freunden und Bekannten, professionelle Kontakte und andere Aspekte, die die Lebensbedingungen und Integration positiv beeinflussen könnten.

Viertens sollten schließlich bei der Verteilung verschiedene Kriterien berücksichtigt werden, die die Integration positiv beeinflussen: die Chancen auf Arbeitsmarktintegration, die Betreuungs- und Schulinfrastruktur, Gesundheitsversorgung und natürlich auch die Wohnraumversorgung. Vor dem Hintergrund der knappen Wohnungs- und Unterkunftskapazitäten ist es natürlich notwendig, den Wohnungsmarkt mit zu berücksichtigen. Er sollte jedoch nicht das einzige und wichtigste Kriterium sein. Langfristig kann es sich rechnen kurzfristig mehr Kosten für die Unterkunft aufzuwenden, wenn dadurch die Chancen auf eine schnelle Arbeitsmarktintegration steigen.


Kinderbetreuung und Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt


Anders als 2015 ist zumindest gegenwärtig die Fluchtmigration aus der Ukraine durch einen hohen Anteil von Frauen und Kindern dominiert. Traditionell ist die Frauenerwerbsquote in der Ukraine vergleichsweise hoch. Den Daten der Weltbank zufolge sinkt die Frauenerwerbsbeteiligung jedoch dort seit 2007 kontinuierlich ab (Worldbank 2022).

Allerdings kann dieser Trend auch durch die zunehmende internationale Arbeitsmigration von Frauen aus der Ukraine in den letzten Jahren entstanden sein (Gatskova 2021). Die Erfahrung aus der Vergangenheit hat gezeigt, dass geflüchtete Frauen in Deutschland deutlich länger sowohl als geflüchtete Männer als auch im Vergleich zu anderen Migrantinnen für den Arbeitsmarkteinstieg benötigen; dies gilt sowohl für Geflüchtete, die vor allem in den 90er Jahren nach Deutschland zugewandert sind (Salikutluk et al. 2016) als auch für die Fluchtzuwanderung seit 2013 (Salikutluk und Menke 2021). Bisherige Studien zur Arbeitsmarktintegration von Frauen, die im Zuge der letzten Fluchtzuwanderung in Deutschland angekommen sind, identifizieren eine Reihe von Faktoren, die den Zugang erschweren.

Neben der Höhe von Bildungs- und Berufsabschlüssen ist auch die Art der Qualifikation für die Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt relevant. Wie oben argumentiert, unterliegen viele Berufe in Deutschland einer Reglementierung, die sich auch vor allem auf die klassischen Frauenberufe im Bildungs- und Gesundheitssektor bezieht.

Es bleibt noch abzuwarten, welche Qualifikationen und Arbeitsmarkterfahrungen Frauen aus der Ukraine mitbringen. Dementsprechend sollten Fort- und Weiterbildungsangebote entwickelt werden, so dass Frauen die Möglichkeit eröffnet wird, in Berufen zu arbeiten, für die sie qualifiziert sind. Dadurch wird auch das Risiko einer Überqualifizierung verhindert, denen insbesondere hochqualifizierte Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion in Deutschland ausgesetzt sind (vgl. Salikutluk 2020).

Der erste Schritt zur Vorbereitung der Integration ist die Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen. Bei bisherigen Geflüchteten war hierbei ein großer Gendergap sichtbar: Frauen haben zu einem geringen Anteil und später an Kursen teilgenommen (Kosyakova et al. 2021). Auch im internationalen Kontext ist bekannt, dass in zugewanderten Familien Männern der Vortritt bei der Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen gelassen wird (van Tubergen 2010). Da aktuell Frauen ohne ihre Partner in Deutschland einreisen, stellt sich zwar die Frage nicht, wer zuerst an Kursen teilnehmen soll. Gleichzeitig liegt die Betreuungsverantwortung für mitgewanderte Kinder ganz bei den Frauen. Daher sollten Kinderbetreuungsangebote im Rahmen der Sprach- und Integrationskurse dringend mitorganisiert werden.

In der Vergangenheit stellte Carearbeit unter anderem einer der größten Hindernisse bei der Arbeitsmarktpartizipation von geflüchteten Frauen dar (Kosyakova et al. 2021). Daher ist, genauso wie bei anderen Frauen unabhängig von ihrem Zuwanderungsstatus, langfristig ein passgenaues Kinderbetreuungsangebot wichtig. In der Vergangenheit gelang es zugewanderten Männern besser Kontakte zu nicht zugewanderten Personen in Deutschland aufzubauen (Kosyakova et al. 2021, Salikutluk und Menke 2021, Salikutluk et al. 2016). Dabei können Netzwerke in vielerlei Hinsicht bei der Arbeitsmarktintegration behilflich sein.

Beispielsweise können Netzwerke Informationen zu Kinderbetreuungsangeboten oder freien Stellen bieten, sowie bei Bewerbungen helfen. Daher ist die Unterstützung von geflüchteten Frauen beim Aufbau von sozialen Kontakten empfehlenswert.

Schließlich sind geflüchtete Frauen stärker von physischen und psychischen Belastungen durch die Flucht betroffen als Männern (Kosyakova et al 2021). Auch im Falle von geflüchteten Frauen aus der Ukraine ist zu erwarten, dass bei ihnen durch Kriegserfahrungen, Sorgen um das Wohlergehen ihrer Kinder und Partner, sowie aufgrund von Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt Versorgungsbedarfe bestehen. Ohne Unterstützung zur Aufarbeitung der (teils) traumatisierenden Erlebnisse und körperlichen Regenerierung ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zumutbar.


Schnelle Sprachförderung


Die Geflüchteten aus der Ukraine werden mit hoher Wahrscheinlichkeit, ähnlich wie die Geflüchteten 2015, überwiegend über keine deutschen Sprachkenntnisse verfügen. Die Erfahrungen zeigen, dass in der Vergangenheit die Deutschsprachkenntnisse in der Bevölkerung aus der Ukraine nach einigen Jahren deutlich zugenommen haben.


Das zu erwartende hohe Bildungsniveau dürfte den Erwerb von Deutschsprachkenntnissen begünstigen. Deutschland verfügt, auch durch die Erfahrungen mit der Fluchtmigration 2015, inzwischen über eine breit ausgebaute Infrastruktur zur Sprachförderung. Das wichtigste Programm sind die Integrationskurse der Bundesregierung, aber auch eine Reihe weiterführender Programme wie die Berufssprachkurse und die Sprachprogramme der Bundesagentur für Arbeit.

Die empirische Evidenz zeigt, dass diese Sprachkurse erhebliche Wirkungen auf die Sprachkompetenz der Betroffenen (Brücker et al. 2019; Kosyakova/Kristen/Spörlein 2021) und die Arbeitsmarktintegration haben (Battisti/Giesing/Laurentsyeva 2019; Brücker/Kosyakova/Schuss 2020;  Clausen et al. 2009; Kosyakova/Brenzel 2020; Kosyakova, Gundacker, et al. 2021; Lochmann/Rapoport/Speciale 2019). Insofern bietet es sich an, diese Programme schnell und systematisch auch für die Geflüchteten aus der Ukraine zu öffnen. Zentral für den Erfolg dürfte auch die Verbindung mit Betreuungsangeboten für die Kinder sein.


Anerkennung beruflicher Abschlüsse


Es ist zu erwarten, dass die große Mehrheit der Geflüchteten aus der Ukraine über Hochschul- oder berufliche Abschlüsse verfügt. In den reglementierten Berufen – das umfasst etwa 12 Prozent der Beschäftigten in Deutschland – ist allerdings die Anerkennung der beruflichen Abschlüsse Voraussetzung für die Berufsausübung.


Das betrifft u.a. die meisten Gesundheitsberufe, die meisten Erziehungsberufe, einen Teil der Ingenieurberufe und Berufe in der öffentlichen Verwaltung und dem Justizwesen. Aber auch in anderen Bereichen des Arbeitsmarktes hat die Anerkennung beruflicher Abschlüsse einen Signalwert, der den Match zwischen den Eigenschaften und Fähigkeiten der Arbeitskräfte und den Anforderungen der Unternehmen verbessern und folglich zu höheren Beschäftigungschancen, höheren Verdiensten und einer höheren Beschäftigungsstabilität beitragen kann.

Die empirische Evidenz zeigt, dass die Erträge der Anerkennung beruflicher Abschlüsse hoch sein können: So hat in Deutschland die Anerkennung im Ausland erworbener beruflicher Abschlüsse bei Migrant*innen die Beschäftigungswahrscheinlichkeit um 25 Prozentpunkte und die Verdienste um 20 Prozent erhöht (Brücker et al. 2021a, 2021b).

Die Anerkennung beruflicher Qualifikationen sollte deshalb frühzeitig gefördert werden. Eine interessante Frage wäre auch, ob die Reglementierung der Berufe beispielsweise in den Lehrberufen gelockert würde. Viele Lehrerinnen und Lehrer aus Syrien konnten ihre Abschlüsse beispielsweise nicht anerkennen lassen und arbeiten häufig unterhalb ihres Qualifikationsniveaus.

Die Bundesbildungsbildungsministerin hat angeregt, dass jetzt Ukrainerinnen als Lehrerinnen zur Unterrichtung von ukrainischen Schüler:innen eingesetzt werden. Dies ist, vor dem Hintergrund, dass zunehmend in den Schulen auch Personen ohne Lehramtsausbildung Lehraufgaben wahrnehmen, ein sinnvoller Vorschlag, der auch auf andere Geflüchtete und Migrant*innen erweitert werden könnte. Bei einer Begleitung durch Weiterbildungsmaßnahmen könnten dann schrittweise die notwendigen Prüfungen für den Erwerb einer Lehramtsberechtigung und damit zur vollständigen Integration in das Bildungssystem erreicht werden.


Effiziente Arbeitsvermittlung und Reorganisation der Leistungssysteme


Die meisten Geflüchteten aus der Ukraine haben voraussichtlich nur geringe Kenntnisse über den deutschen Arbeitsmarkt und verfügen nur bedingt über die notwendigen Netzwerke. Die öffentliche Arbeitsvermittlung kann die Informations- und Suchkosten senken und mithin die Beschäftigungschancen, Verdienste und Beschäftigungsstabilität erhöhen.

Zwar finden die meisten Migrant:innen ihre Stellen über persönliche Kontakte und Netzwerke (Dustmann et al. 2014), aber bei den Geflüchteten die seit 2013 nach Deutschland gekommen sind zeichnet sich ein positiver statistischer Zusammenhang zwischen der Nutzung der öffentlichen Arbeitsvermittlung und der erfolgreichen Arbeitssuche ab, auch wenn hier die kausale Evidenz noch aussteht (Brücker et al. 2020a; Kosyakova et al. 2021).

Die Integration in die Beratungsstruktur der öffentlichen Arbeitsvermittlung wird aber durch die Grundsatzentscheidung gehemmt, die Geflüchteten aus der Ukraine in das Leistungssystem der Asylbewerberleistungsgesetzes zu integrieren.

Dies ist keine Entscheidung der gegenwärtigen Bundesregierung, sondern ergibt sich aus den Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes. Wenn die Geflüchteten aus der Ukraine von vornherein in das Leistungssystem der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch II einbezogen werden, dann würde Leistungsgewährung, Arbeitsvermittlung und -förderung Hand in Hand in den Jobcentern geregelt werden.

Die Erfahrungen mit den Geflüchteten, die 2015 und in den Folgejahren gekommen sind, belegen, dass die institutionelle Trennung von Leistungsgewährung und Arbeitsförderung zu einer Verzögerung der Integration führt. Die meisten Geflüchteten nehmen die Angebote der öffentlichen Arbeitsvermittlung erst dann in Anspruch, wenn sie nach der Asylentscheidung auch in das Leistungssystem des Sozialgesetzbuches II übergehen.

Insofern sollte im Rahmen einer Gesetzesnovellierung diese Trennung überdacht werden, es bietet sich an die Geflüchteten aus der Ukraine von vornherein im Bedarfsfall Grundsicherung nach dem SGB II zu gewähren.



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Literatur

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[1] Dieser Abschnitt baut in Teilen auf den Berichten von Brücker (2022) und Brücker et al. (2022) auf.

[2] Der Königsteiner Schlüssel wurde 1949 als Verfahren zur Beteiligung der Länder an der Finanzierung von Gemeinschaftsaufgaben, in diesem Fall von Bildungsausgaben, entwickelt. Er richtet sich zu zwei Dritteln nach dem Steueraufkommen und zu einem Drittel nach der Bevölkerungszahl. Er verfolgt also andere Zwecke als etwa Integrationsaufgaben.